Unkalkulierbares Risiko: der unfreie „Freie Mitarbeiter“
Immer wieder kommt es in der Praxis vor, dass ein Unternehmer wutentbrannt vorspricht und erklärt, er hätte eine Betriebsprüfung gehabt und müsse nun Tausende von EUROs nachzahlen. Wie das denn ginge wird gefragt, schließlich habe der Mitarbeiter doch selbst den Wunsch geäußert als „Freier“ arbeiten zu wollen. Der Vertrag sei doch auch eindeutig und überhaupt was geht es die Rentenversicherung an, ob einer Arbeitnehmer ist oder nicht, schließlich kümmere sich doch der „Freie Mitarbeiter“ selbst um seine Krankenversicherung und die Steuern.
Blankes Entsetzen steht dann bei den Leuten im Gesicht, wenn man ihnen sagen muss, dass sie aus der Nummer nicht mehr oder nur sehr, sehr schwer wieder rauskommen können. Als Anwalt fragt man sich eher, wie die Leute es aushalten auf einem Pulverfass zu leben, das einem jederzeit um die Ohren fliegen kann. Wissen die da draußen echt nicht, welches Risiko sie eingehen, wenn sie offensichtlich abhängig Beschäftigte als „Freie Mitarbeiter“ für sich arbeiten lassen?
Ein „Freier Mitarbeiter“ muss wirklich frei sein. Das heißt, er muss in der Gestaltung seiner Arbeitsbedingungen frei und im wesentlich weder in zeitlicher, örtlicher oder fachlicher Hinsicht den Weisungen des Auftraggebers direkt unterworfen sein. Vor allem ist er gewöhnlich nicht in die Organisationsstruktur des Auftraggebers eingegliedert. Tatsächlich sind echte Freie Mitarbeiter hochqualifiziert oder besonders künstlerisch begabt, also Programmierer, Musiker, bildende Künstler und ähnliches. In der Praxis werde dagegen „Freie Mitarbeiter“ oft als ungelernte Kräfte eingesetzt und sind in jeder Beziehung in das Unternehmen eingebunden. So verrichten sie in der Regel ihre Arbeit nach den konkreten Vorgaben im Hinblick auf Inhalt, Ort und Zeit des Auftraggebers.
Wird eine solche Konstellation über Jahre gelebt, kann das für den „Auftraggeber sehr teuer werden. Er muss nicht nur die Fahnder der Rentenversicherung fürchten, sondern auch seinen „Freien Mitarbeiter“ selbst. Oft fällt diesem nämlich typischerweise erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ein, dass er lieber Arbeitnehmer sein wollte und erhebt eine sogenannte Statusklage beim Arbeitsgericht.
Die finanziellen Konsequenzen einer solchen Konstellation muss der Auftraggeber allein tragen. Stellt sich nämlich heraus, dass der klagende „Freie Mitarbeiter“ tatsächlich als Arbeitnehmer anzusehen ist, dann muss er mit hohen Nachforderungen der Sozialversicherungsträger rechnen und zwar rückwirkend zumindest für die letzten 4 Jahre (Verjährungsfrist nach § 25 SGB IV). Bestand Vorsatz beträgt die Verjährung sogar 30 Jahre. Ein Rückgriff auf den Arbeitnehmer ist nach § 28 g SGB IV nur für die letzten 3 Monate möglich. Für die restliche Zeit muss der Arbeitgeber alleine gerade stehen.
Es empfiehlt sich daher dringend zu prüfen an wen man sich da ewig bindet. Im Zweifel kann und sollte man bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status stellen.
Das in diesem Bild verwendete Foto stammt von crosathorian.
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.