Arbeitsunfall beim Abendessen oder es gibt einfach nichts, was es nicht gibt
Da bleibt einem doch glatt die Gräte im Hals stecken! Arbeitsunfall beim Abendessen? Die spinnen, die Römer, äh nein, nicht die Römer, die Juristen! Oder? Nein! Weit gefehlt. Wenn das Essen in einem dienstlichen Zusammenhang steht, kann eine sich beim genussvollen Schlemmern zugezogene Verletzung tatsächlich einen Arbeitsunfall darstellen.
Grundsätzlich gilt nämlich, dass Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit sind. Für die Zuordnung einer Handlung zum Kreis der versicherten Tätigkeit reicht ein bloßer zeitlicher und räumlicher Zusammenhang nicht aus. Vielmehr muss ein sachlicher Zusammenhang zwischen Handlung und Berufstätigkeit bestehen. So weit, so klar. Oder?
Dann mal zu dem Fall:
Der Senior Account Manager eines mittelständischen Unternehmens wurde von einem potentiellen Kunden zu einem Geschäftsessen in einem exklusiven italienischen Restaurant eingeladen. Während des Essens sollte über die Konditionen für einen größeren Auftrag gesprochen werden. Man aß, man plauderte und verhandelte über die Einzelheiten des Vertrages. Dann verschluckte sich der Account Manager plötzlich an einer Fischgräte und rang nach Luft. Er fiel vom Stuhl und verletzt sich schwer an Kopf und Rücken. Er kam ins Krankenhaus, musste mehrfach operiert werden und sich eine langwierigen REHA Maßnahme unterziehen.
Der Mann machte gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung einen Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten oder auf Zahlung eines Verletztengeld geltend, weil er der Auffassung war, dass es sich bei dem Vorfall um einen Arbeitsunfall § 8 Abs 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) gehandelt habe.
Das erstinstantliche Gericht lehnte den Anspruch jedoch ab und erklärte, dass die Nahrungsaufnahme in der Regel unversichert sei und hier besondere Umstände nicht zu erkennen seien, die eine andere Annahme rechtfertigen könnten. Das Essen habe in erster Linie der Nahrungsaufnahme gedient und habe deshalb nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit gestanden.
In der zweiten Instanz berief sich der Mann dann erfolgreich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom Urteil vom 30. Januar 2007. Dieses hatte einen allergischen Schock mit anschließendem Kreislaufstillstand, der nach Verzehr eines mit Nüssen gefüllten Palatschinkens bei einem verpflichtenden Geschäftsessen eingetreten war, als Arbeitsunfall gewertet. Es führte aus, dass die Nahrungsaufnahme dann versichert sei, wenn die Nahrungsaufnahme ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen erforderlich gewesen sei.
In dem Fall des Mannes mit der Fischgräte erklärte das Landessozialgericht unter Bezugnahme auf das vorgenannte Urteil, dass ein Arbeitsunfall vorliege, weil das streitgegenständliche Essen sehr wohl in einem direkten und vor allem sachlichen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Mannes gestanden habe, da es bei dem Essen in erster Linie um die Aushandlung des Vertrages ginge und die Nahrungsaufnahme nur gelegentlich dieser Verhandlungen stattfand.
Etwas andere gilt z.B. beim Eis essen
In einem anderen Fall hat das Sozialgericht Berlin im Oktober 2011 entschieden, dass Jemand, der sich beim Verzehr eines Eiscremes auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, verschluckt und einen Herzinfarkt erleidet, keinen Arbeitsunfall erlitten hat. Es liege kein Arbeitsunfall vor, weil das Eisessen nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen sei. Eis werde erfahrungsgemäß nur zum Genuss verzehrt. Und Genuss und Arbeit gehören nun mal nicht zusammen. DAS haben wir doch immer schon gewusst!
Das in diesem Artikel verwendete Foto stammt von Tim Duran.
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